Spontan schalten wir in dieser pulsierenden Stadt einen velofreien Samstag ein und begeben uns auf einen vom der vom Tourismusbüro vorgeschlagenen Rundgänge. Zuerst in die authentische, pittoreske Altstadt. Diese lebt – das klinische „Herauspützeln“ hat nicht oberste Priorität. Viele Läden bieten Schmuck und Kleider an – die Fussballer-Leibchen, z.B. jenes mit der Nummer 10 vom Schweizer Nationalspieler Granit Xhaka hängen überall zuvorderst.

Ein wenig ausserhalb der Altstadt stossen wir auf den ehemaligen Hamam bzw. was davon übrig geblieben ist. Einer der Initianten zur Rettung dieses historischen Bauwerks führt uns durch die Räume. Dieser Hamam sei der einzige in der osmanischen Welt (oder mindestens auf dem Balkan) gewesen, der von Frauen und Männern gleichzeitig genutzt worden sei. Deshalb gibt es alle Räume zweimal aber etwas chaotisch asymmetrisch angeordnet. Er erklärt ausführlich wie das Dampfbad früher funktioniert haben könnte und kommt immer wieder auf die Widrigkeiten zur Restaurierung zu sprechen. Doch der Hamam ist nicht nur Kulturdenkmal sondern auch Ort für kulturelle Veranstaltungen. Pejë habe aktuell nicht einmal ein benutzbares Theater, beklagt er sich. Offenbar macht eine Vereinigung alles in Eigeninitiative ohne namhafte Unterstützung durch den Staat oder die Stadt. Angesichts der sorgsam restaurierten Klöster und der prunkvollen Tekke (siehe diesen Beitrag) fragen wir uns, wie hier die Gelder zum Erhalt der Kulturgüter verteilt werden.

Über den Bahnhof (von dem aus 2x täglich ein Zug nach Prishtina fährt – ob der Fahrplan aktuell ist, wird aber nicht klar) und eine belebte Geschäftsstrasse spazieren wir zurück zum Hotel. Zuvor gönnen wir uns in einem der zahlreichen Kaffees in der Altstadt noch einen türkischen Kaffee. Und werden unfreiwillig Zeugen eines Gesprächs, welches die Zerrissenheit von Menschen zeigt, die in der kosovarischen Diaspora leben. Sie sind mit einem teuren Auto hergefahren, um zu zeigen, dass sie es „in der Fremde zu etwas gebracht haben“. Gleichzeitig geraten sie in Streit, weil sie am Marktstand vermeintlich 2 Euro zuviel ausgegeben haben. Sie sind „zurück an ihrem Herkunftsort“ und wollen in wenigen Tagen alles nachholen, das sie in den letzten, langen Monaten vermisst haben. Sie sind an westeuropäische Standards gewohnt, die hier nicht überall vorhanden sind (was mit ein Grund ist, weshalb Westeuropäer in Städte wie Pejë reisen…). Schon am ersten Abend haben wir beim Nachtessen eine Familie mit zwei erwachsenen Söhnen getroffen, die nicht weit von uns wohnt in Zürich. Also überhaupt kein Problem, sich zu verständigen. Sie kommen her für die Sommerferien. „Mehr als zwei Wochen halten wir es nicht aus“, meinten die beiden Söhne unisono. Und beide können sich nicht vorstellen, zurückzukehren. Einer hat in der Region Zürich ein Malergeschäft übernommen und gibt sich überzeugt, hier seien die Arbeiter viel weniger zuverlässig als in der Schweiz. Unseren Einwand, dass vielleicht die Kunden hier auch nicht ganz so pingelig seien, wie in der Schweiz, lässt er unkommentiert. Die Eltern sind nach dem Krieg geflohen, „als hier in Pejë alles niedergebrannt war“. Ganz abgebrochen haben sie die Verbindung nicht; sie haben in einem Mehrfamilienhaus eine Wohnung gekauft. Beim Vater war das Heimweh gut zu spüren; er war während des ganzen Gesprächs sehr still – ausser als es um die Flucht ging.