Wir starten zum Schlussspurt. Der nächtliche Regen hat für etwas Abkühlung gesorgt. Am ersten Teich beobachten wir einen schwarzen Schwan. Der Rheinradweg ist auf diesem Abschnitt nicht mehr so flach wie noch in Frankreich. Es ist jetzt häufiger der Fall, dass man etwas Höhe gewinnt und dann wieder abgibt. Unsere Beine sind zwar fit, aber die Hitze ist schon bald wieder drückend.
Der grosse Unterschied zu allen anderen Etappen ist heute, dass wir hier eine genaue Mentalmap der Gegend haben. Wir kennen jedes Dorf, resp. der Blick auf die andere Seite öffnet uns ständig die Sicht auf einen bekannten Ort: die vierfache Hochspannungsleitung nach Laufenburg, die Stadt und die zugehörige Brücke (mit dem falsch korrigierten Höhenversatz zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Höhenmesssystem), das Kernkraftwerk, (von der Aare Mündung sehen wir nichts), der Turm vom Thermalbad Zurzach und die Altstadt von Kaiserstuhl.
Wir sind schon in Hohentengen. Und dann kommt die Abweizgung zum Kraftwerk und eine rassante Abfahrt. Wir sind am Kraftwerk Eglisau in Zweideln angekommen. Noch ein Halt für ein Eis im Riverside und dann stoppen die beiden Räder erst wieder auf der Garageneinfahrt, auf der sie vor drei Wochen gestartet sind.
Bilanz:
Kein Schaden an Mensch und Velo, abgesehen von einigen Hautschürfungen (insbesondere hervorgerufen durch Brombeeren und Brennesseln in England) und akuten Verbrennungen aufgrund der übermässigen Sonnenstrahlung.
Viele Stunden an der frischen Luft mit viel Bewegung.
Viel Schlaf als Kompensation zur Anstrengung und
unzählige Eindrücke, Begegnungen, Geschichten, die wir hier teilweise geteilt haben.
Die Nacht war heiss und wir versuchen, möglichst früh auf die Räder zu kommen. Der nächste Abschnitt der EuroVelo15-Route führt durch die Dörfer, entlang von Strassen, zum Teil auf abgetrennten Radwegen und führt dann später wieder an den Kanal. Vom Rhein sehen wir gar nichts, keine Rheinschifffahrt, nix. Der Vorteil der Wegführung durch die Dörfer ist, dass wir bei einer Bäckerei ein zweites Frühstück und ein kaltes Getränk bekommen. Schwieriger ist der Versuch, den Radweg möglichst sicher zu machen und ihn deshalb in den Ortschaften ständig auf dem Trottoir zu führen. Dadurch müsste man bei jeder Strassenquerung auf dem Zebrastreifen absteigen…. Wir wählen dann die Strasse, schliesslich sind wir Fernreisende.
Die Schlangen und Eidechsen, die vor uns den Radweg kreuzen, haben alle überlebt, was etwas erstaunt, denn wir rasen in Richtung Basel. Dann mündet der EuroVelo 6 ein, der vom Atlantik ans Schwarze Meer führt und uns schon so manchen Tag begleitet und geührt hat. In St Louis, kurz vor der Grenze verlassen wir den Radweg, um beim Dreiländereck vorbei zu schauen. Dort finden wir eine nette Fussgänger (und Velo) Brücke und ein geschlossenens, chinesisches Restaurant (?). Das späte Mittagessen gibt’s dann am Rhein in einer Strassenbeiz.
Wie bei jeder grösseren Stadt ist der Weg aus der Stadt meist nicht so einfach. In Basel helfen uns die EuroVelo-Wege. Doch die Hitze ist drückend. Eigentlich wollten wir noch etwas weiter als Rheinfelden fahren, doch bei 35°? An einem Bächlein baden wir die Füsse und fassen nochmals Mut, das Hotel ist gebucht und auch nicht mehr so weit weg. In Schwörstadt werden wir nett empfangen und vorzüglich verköstigt – vielen Dank!
Nach den Reisestrapazen finden wir Erholung auf dem Eurovelo 15 Radweg entlang des Rheins, respektive entlang des Rhein-Rhone-Kanals. Wir belohnen uns nach dem englischen Hügel-Härte-Training mit etwas mehr als 200, mehrheitlich flachen Kilometern entlang von Rhein und Glatt.
Konstanter Rückenwind, eine Strasse ohne Hügel und die Wärme – wir nehmen die Unterschiede wahr und beschliessen, heute nichts zu finden über das man sich beschweren könnte. Wir wurden gewarnt, dass es langweilig sein könnte im Rheingraben, für uns ist es eine Genugtuung 80 Kilometer fahren zu können, ohne Karten lesen zu müssen.
Neu-Breisach ist eine Stadtfestung aus dem 18. Jahrhundert. Der innere Stadtteil ist acht eckig angelegt, aussen befinden sich Schutzmauern und Gräben. Die Stadt wurden in der Ebene angelegt, damit die Idealform des Festungsbaus umgesetzt werden konnte. Sie ist repräsentativ für die französische Militärarchitektur aus der Zeit Louis XIV.
Wir beziehen ein hübsches Zimmer im Hotel Deux Roses, bekommen einen feinen Znacht und besichtigen auf dem Abendspaziergang die Kunstprojekte im Befestigungsgraben: sehr schön!
Die Reise beginnt mit einem englischen Zug, beide Velo reisen auf ihren gebuchten Plätzen im Gepäckabteil. Der Zug würde nach London fahren und von dort gäbe es Züge nach Paris… Wir haben uns für die Fähre nach Roscoff (Frankreich – Bretagne) entschieden. Sie fährt erst um 23 Uhr.
Wir steigen also im Plymouth aus dem Zug und verlassen den Bahnhof gut bewacht von Kontrollen und Kameras, ja über die vielen Kameras in England haben wir uns noch gar nicht beklagt in diesem Blog… Den restlichen Tag verbringen wir mit Schreiben, Lesen, Kaffeetrinken, unter einem Baum am Schatten schlafen bis es zu kalt wird, wieder ein Restaurant suchen, gut Essen und mit „auf die Fähre warten“. Sie fährt um 21 Uhr in den Hafen ein, wird umständlich entladen (wir vermuten zusätzliche Kontrollen – wir haben noch selten einen solchen Stau erlebt beim Entladen). Spannend ist die Bekanntschaft mit Roland und Luzia aus dem Thurgau, die mit dem Töff unterwegs waren. Und auffallend viele englische Radfahrer gehen für ihre Touren nach Frankreich: wir sind eine Gruppe von 20 Radfahrern, die als letzte auf’s Schiff gelassen werden (und draussen schlotterten im kalten Nachtwind).
Die Nacht ist kurz, doch wir estimieren den Luxus der Kabine, die wir kurz vor der Abfahrt noch buchen konnten. Wie immer auf den Fähren ist der Faktor Genuss nicht für die ganze Reisegruppe gegeben. So verzieht sich die eine Hälfte auf’s Deck 10 an die frische Luft, während die andere das Frühstück einnimmt.
Frankreich empfängt uns mit einer speditiven Einreisekontrolle und mit dichtem Nebel. Wir fahren nach Morlaix, nehmen dazu die Hauptstrasse und vergessen nicht, die rechte Strassenseite zu nutzen. Nach wenigen Kilometern sind wir komplett nass, auf den Abschnitten mit Bäumen an der Strasse tropft es wie Regen. Eigentlich ist es nicht kalt, aber die Nässe und der Wind machen die ganze Sache ungemütlich. Der Bahnhof Morlaix trohnt hoch über dem Ort. Der von uns präferierte TGV ist ausgebucht, wir wählen eine Verbindung mit zwei TGV’s und überbrücken die Zeit bis zur Abfahrt auf dem heutigen Dorfmarkt.
Im zweiten Zug reisen unsere Velos unterschiedlich: eines hat einen reservierten Veloplatz, das andere steht im Transbag verstaut im Nebenabteil, wo es genügend Platz hat. Wir rasen durch die Bretagne und steigen in Paris Montparnasse zur Feierabend Zeit aus. Hier herrscht nun die erwartete Hitze. Das Navi führt uns auf den Boulevard St Michel und dann geradeaus zur Gare de l’est. Auf den letzten 500 Metern vor dem Bahnhof sind wir uns nicht sicher, um wir in Mombasa gelandet sind, da geht es afrikanisch zu und her!
Der Zug nach Strassburg hat zwei Stunden Verspätung, was natürlich bei unsere Ankunft im Bahnhof noch nicht klar war und dann alle zehn Minuten wieder angepasst wurde. Völlig unmöglich ist, dass das Abfahrtsgleis des Zuges nicht bekannt gegeben wird. Das fühlt sich dann so an: Man starrt drei Stunden lang, quasi ununterbrochen auf die Anzeigetafel. Wenn das Gleis dann endlich erscheint, rennen alle los, schliesslich hat man einen Platz im vordersten Wagen. Beim Einsteigen das grosse Chaos, alle suchen ihren Platz und einen sicheren Ort für das Gepäck. Der Zug fährt zehn Minuten nach Bekanntgabe des Abfahrtsgleises ab, wer also grad auf der Toilette war, hat Pech gehabt. Und wir mittendrin mit vielen Taschen und zwei Velos! Das wirklich einzig Gute daran: man rast erneut mit 300 km/h durchs Land und ist nach zwei Stunden in Strassburg. Dort erwartet uns ein zweckmässiges Zimmer, eine Dusche und ein Bett, das nicht schaukelt!
Der Blick nach Draussen nach dem Aufwachen zeigt ein ganz anderes Bild als am Abend zuvor: Die Landschaft trieft und es herrscht dichtester Nebel. Bis zum Abfahren dringt der eine oder andere Sonnenstrahl durch. Dennoch sind wir nach 10 Minuten Fahrt pflotschnass. Das ist also der berüchtigte englische Nebel. Nach wenigen km sind wir sozusagen am Ziel der diesjährigen Tour, in Land’s End. Das ganze Gelände ist in Privatbesitz. Die Naturschutzzone beginnt erst dort, wo das Kliff definitiv nur noch für Vögeln „begehbar“ ist. Der ganze Rest ist in einen grossen Rummel- und Konsumplatz umfunktioniert. Vom „letzten bzw. ersten“ Haus und Briefkasten wird aus allem irgendwie Profit geschlagen. Zum Glück sind wir früh da. So hat es noch nicht allzuviele Leute und wir können zuschauen, wie sich die cornischen Zwerge für ihren Auftritt mit König Arthur umziehen…..
Kaum sind wir von der A30 abgebogen, herrscht wieder die Beschaulichkeit der schmalen, heckengesäumten Strassen. Sie wird nur selten unterbrochen von der Hektik, wenn ein Doppelstockbus im steilen Anstieg einen Traktor mit grossen Strohballen auf dem Anhänger kreuzen will. Das führt natürlich sofort zu einem kleinen Verkehrschaos, das wundersamerweise im schlimmsten Fall mit ein paar zerquetschten Brombeeren endet. Nach der üblichen übersteilen Abfahrt kommen wir nach Mousehole (sic!). Das kleine Örtchen erinnert ungemein an die Rosamunde-Pilcher-Filme…
Gar kein Herzkino sondern mit historisch handfestem Hintergrund ist unsere Unterkunft in Penzance, das Union Hotel. Es soll eines der ältesten und bedeutendsten Gasthäuser Cornwall’s sein mit einem grossen Theatersaal und mehreren Bars. Im Spanisch-Englischen Krieg wurde es teilweise niedergebrannt. Die schwarzen Balken werden heutzutage als Sehenswürdigkeit zelebriert. Admiral Nelson soll hier genächtigt haben und im Theatersall erstmals auf britischem Boden die Nachricht vom Sieg der Schlacht vor Trafalgar verkündet worden sein. Seither wurden die Teppiche sicher ein- oder zweimal erneuert, aber Gebrauchsspuren sind allenthalben unübersehbar. Uns hat das nicht weiter gestört. Wir hatten ein Zimmer mit Meerblick (aus zwei Fenstern!), Himmelbett und lautem Gekreisch der Möven.
Wir folgen der Küstenstrasse, gewinnen rasch an Höhe und kommen schon bald in den Genuss der spektakulären Aussicht über die Steilküste. Obwohl wir auf einer Hauptstrasse unterwegs sind, ist der Verkehr nicht störend. In einem Teehaus machen wir eine Pause und wundern uns, wie die Touristen nach dem ausgiebigen Frühstück im Hotel bereits vor dem Mittag wieder einen Cream Tea trinken können (dazu gehören zwei Brötchen, Butter und Konfitüre).
An das Auf und Ab haben wir uns ja gewöhnt, die Steilheit der Strassen ist in Cornwall dem restlichen Süden ebenbürtig und lässt uns unvermindert hadern… Der Küstenwind meint es ebenfalls nicht gut mit uns, zumindest hilft er, die Verweilzeit in dieser traumhaften Landschaft zu verlängern. Und er lehrt uns, dass es problemlos möglich ist, Sand aufzuwirbeln und den Velofahrern ins Gesicht zu peitschen.
Auf den letzten 10 Kilometern vor unserem Zielort führt uns unsere Navigationsapp vor ein eindrucksvolles Tor vor den Pisten eines Militärflugplatz. Es sagt uns unmissverständlich: hier geht es nicht weiter. Ein Velofahrer mit Hund gibt uns den Tipp, dass man kurz vor der Abzweigung in die Hauptstrasse auf den Tramway abbiegen kann. Diese Tramwege sind Überbleibsel aus der Bergbauvergangenheit und wurden zu Spazier- und Radwegen umfunktioniert. So bleiben uns die befürchteten zusätzlichen Höhenmeter erspart und wir finden unsere hübsche Unterkunft mit der freundlicher Gastgeberin.
Portreath ist nicht so touristisch wie Padstow, obwohl es auch einen schönen Strand hat. Nach dem Essen gönnen wir uns den Sonnenuntergang am Strand.