Plymouth – Bodmin – Padstow

Nachdem wir den Regentag im Aquarium und beim Müssiggang genossen haben, soll es heute weiter gehen. Es regnet noch immer und wir entscheiden uns, den Anfang der heutigen Etappe im Zug zu bewältigen. Somit bleibt noch etwas Zeit für den Besuch des Mayflower Pilgrim Museum.

Der Zug bringt uns über unzählige Brücken und Viadukte nach Bodmin. Dort stehen wir etwas verloren auf dem Bahnsteig, finden aber recht schnell einen Radweg ins Zentrum, flach entlang eines alten Bahntrasse! Losfahren wollen wir aber noch nicht, wenn der Müßiggang mal eingesetzt hat… Wir besuchen das Landhaus Lanhydrock mit seinem Garten. Wunderbar!

Dann gehts doch noch los, es ist schon länger Nachmittag. Am alten Bahnhof von Bodmin fährt grad eine Dampflok los. Es ist eine Museumsbahn und die Kulisse für unzählige Filmszenen aus Cornwall… Nach einigen Kurven durch den Ort wird immer deutlicher, was uns auf den rund 25 Kilometern der heutigen Etappe nach Padstow erwartet: es sitzen erschöpfe Radfahrer mit Eis am Strassenrand, grössere und kleinere Gruppen.

Der Camel Trail ist gut bezeichnet und ist – ja genau – ein Radweg auf einem alten Bahntrasse. In allen Orten entlang der Strecke gibt es unzählige Velovermieter und das entsprechende Publikum auf der Piste. Wir nehmen es gelassen, freuen uns über den guten Weg und nutzen den späten Nachmittag für Birdwatching im Mündungsgebiet des Camel- River.

Padstow erreichen wir entsprechend spät, aber zufrieden nach einem erfüllten Tag!

Im Garten von Lanhydrock House

The Mayflower Pilgrims

Die Geschichte der frühen Pilger muss hier erzählt werden, schliesslich befanden wir uns vor zwei Jahren auf dem Oregon Trail und damit auf einem anderen Abschnitt der Geschichte der europäischen Besiedlung von Nordamerika.

Die Mayflower (Maiblume) war ein Segelschiff, das im Jahr 1620 englische Separatisten nach Amerika brachte. Es waren Menschen, die begannen den Glauben anders zu leben als er von der Englischen Kirche gelebt wurde. Sie fühlten sich unverstanden in ihrer Auslegung und wurden als Separatisten bezeichnet. Sie entschieden sich, ihr Glück und die religiöse Unabhängigkeit anderswo zu suchen.

Zuerst führte sie die Reise nach Holland, wo es bereits eine englische Glaubensgemeinschaft gab. Schliesslich entschied sich eine Gruppe von rund 100 Personen, die Glaubensfreiheit in Amerika zu suchen. Die Mayflower startete im Frühling von Holland aus, musste aber insbesondere wegen Schäden am Begleitschiff mehrmals Zwischenlanden. Ein langer Zwischenhalt fand in Plymouth statt, wo die Pilgrims freundlich aufgenommen wurden. Das Schiff stiess am 16. September 1620 von Plymouth aus in See, der Steg ist heute mit einem Denkmal gekennzeichnet.

Die Überfahrt in engsten Verhältnissen (das Begleitschiff blieb wegen Seeuntauglichkeit in Europa) dauerte zwei Monate. Am 9. November ging das Schiff vor der Küste vor Anker, nachdem die Crew mehrere Versuche unternommen hatte, etwas südlicher anzulegen. Dann kam der nordamerikanische Winter… Nur ein kleiner Teil der Gruppe überlebte und begann im März mit dem Aufbau einer Siedlung. Die Crew der Mayflower startete am 5. April 1621 und brachte das Schiff zurück nach Europa.

Diese Informationen sind frei wieder gegeben nach dem Besuch des Mayflower Museums in Plymouth. Die folgende Ergänzung stammt aus Wikipedia (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mayflower 2.8.2018): „Die Reise der Mayflower ist das prominenteste Beispiel für die Besiedlung Amerikas durch Europäer und wird bisweilen fälschlich als deren Beginn dargestellt. Tatsächlich aber begann die Kolonialisierung Nordamerikas in der Neuzeit bereits Mitte des 16. Jahrhunderts mit der Besiedlung von Neufundland, so gilt die Stadt St. John’s mit der Inbesitznahme durch die englische Krone im Jahr 1583 als älteste britische Kolonie, fast 40 Jahre vor der Überfahrt der Mayflower.“

Two Bridges – Plymouth

Das Hotel Two Bridges ist am eleganteren Ende von dem, was wir als Veloreisende besuchen können. Zum Glück waren die andern ausländischen Touristen im Wanderlook unterwegs, sodass wir gemeinsam gegenüber den Engländern ‚completely underdressed‘ waren. Gegessen haben wir vorzüglich, wie überall bisher, hier allerdings mit Livemusik.

Das Wetter ist weiterhin regnerisch und der Wind ist stürmisch. Deshalb haben wir uns für einen Abstecher nach Plymouth und einen Ruhetag in der Stadt entschieden. Die Strasse führt steil hoch nach Princetown. Hier gibt es ein grosses Gefängnis mit mehr als 600 Insassen. Das Gefängnis Museum wurde uns empfohlen, also machen wir einen Halt.

Bevor wir wieder losfahren, ziehe ich zwei zusätzliche Schichten lange Kleider an: eine für die Wärme und eine gegen den Wind. Das Dorf verlassen wir auf dem alten Bahntrasse und fahren ins Moor hinaus. Der Wind ist stürmisch und böig. Wenn er aufhört fällt man fast um, weil man so stark dagegen lehnt. Es ist ein Balanceakt. Und dann setzt der Regen ein und wird uns vom Wind ins Gesicht gepeitscht. Das Bahntrasse führt nur ganz langsam, aber kontinuierlich bergab. Schon bald läuft das Wasser entlang der Beine in die Schuhe – wir sind komplett nass. Und: obwohl man meist auf Strassen unterwegs ist, kann man auf dem Velo die Kraft der Natur erleben.

Wanderer mit Hunden und andere Velofahrer lassen sich nicht beirren. Weiter unten führt der Weg durch zahlreiche Weiden, wir öffnen und schliessen die Tore. Es geht nur langsam vorwärts. Dann steht ein grosser Stier vor uns, wir reden ihm gut zu und gehen vorbei. Nach einigen Kilometern auf der Strasse führt der Weg plötzlich wieder auf das Bahntrasse und wir sind mitten im Naherholungsgebiet der Stadt. Mit zahlreichen Gruppen von jüngeren und älteren Velofahrern gleiten wir Richtung Plymouth.

Der Fluss fliesst hier tief in der Schlucht. Und zum ersten Mal in England queren wir einen Hügel nicht mit einer Strasse in der Falllinie, sondern in einem Tunnel! Es braucht deutlich weniger Kraft! Dann setzt der Regen wieder ein, und wie! Jetzt kommen wir definitiv zu unserer „englischen Regentaufe“.

Der Tag ist schon reich bestückt mit Highlights, da kommt der Wanderfalke. Zwei Jungtiere sitzen in der Felswand hoch über dem Fluss und kämpfen um den trocken Platz unter dem Felsvorsprung. Direkt gegenüber auf der ehemaligen Eisenbahnbrücke ist ein Beobachtungsposten eingerichtet. Super!

Im Dartmoor

Kurz vor Plymouth

Dartmoor: Moretonhampsted – Two Bridges

Heute haben wir nur 20 km. Wir queren das Dartmoor, die Aussicht ist fantastisch und wir werden vom Regen verschont. In Postbridge besichtigen wir das Nationalparkmuseum, überqueren die alte Clapper Bridge und machen einen Spaziergang. Die dunkeln Wolken mahnen uns, die letzten Kilometer in Angriff zu nehmen, sodass wir trockenen Rades in Two Bridges, unserem heutigen Ziel ankommen.

Graue Wolken, Pferde und viele Schafe bevölkern das Dartmoor

 

Dunkeswell – Moretonhampsted

Beim Frühstück sitzen Schweizer am Nachbartisch. Sie sind mit dem Flugzeug hier. Scheinbar können Schweizer nicht normal reisen, die einen benutzen das Privatflugzeug, die andern Fahrräder!

Wir haben eine kurze Etappe mit viel Höhendifferenz vor uns und brechen früh auf. Im gewohnten auf und ab erreichen wir die Vororte von Exeter. Dann entscheiden wir uns für einen Radweg entlang der Hauptstrasse und landen irgendwann auf dieser Strasse im Aggloverkehr – anstrengend! Im Vorstadt Aldi bekommt man nur vier Energydrinks auf’s mal, also gehts ohne Energydrink weiter. In einem Park essen wir zu Mittag und wundern uns erneut, dass die Parkbänke in diesem Land ausnahmslos in der Mittagssonne stehen.

Schliesslich stehen wir auf der Brücke über den Fluss, geniessen kurz den Ausblick und wissen, den Rest des Tages verbringen wir im Aufstieg ins Dartmoor…. To make a long story short: wir brauchten lange, es war heiss und streng und wir wurden schon nach wenigen Minuten mit grandioser Aussicht belohnt. Der letzte Aufstieg mit 20% Steigung war hart, aber es wartete ein wunderbares Örtchen mit schönem Hotel und hervorragendem Nachtessen.

Blick zurück auf Exeter
Auf und ab der englischen Nebenstrassen. Die Steigung beträgt durchschnittlich 10 bis 20% – mit bepacktem Velo eine Herausforderung

Sherborne-Dunkeswell

Die ersten km hinter Sherborne sind vor allem eine Kartenlese-Übung rund um die grössere Stadt Yeovil. Das steile auf-und-ab auf den kleinen, verkehrsarmen Strassen setzt sich fort. Nur sind die Strässchen weitgehend tief in den Sandstein eingeschnitten. Ohne Navi wäre man hier wohl innert kürzester Zeit verloren. Immerhin ist es in diesen „Strassenschluchten“ angenehm schattig und kühl (was bei dem aktuell herrschenden Jahrhundertsommer hier nich zu unterschätzen ist….). Den Mittagspicknick geniessen wir bei einer der zahlreichen Uralt-Kirchen hier (faktisch sitzen wir im Friedhof von Hindon-St. George, aber die Friedhöfe schauen in dieser Gegend so zeitlos aus, dass sie auch als Pärkli durchgehen – allerdings fehlt auch hier die schattige Parkbank, sodass wir uns im Schatten des alten Gemäuers niederlassen – man kann sicher aber lebhaft die Geisterstunde in einer neblig-stürmischen Novembernacht vorstellen). Nach der Mittagsrast geht es dann punkto Steigungen einigermassen gesittet-mitteleuropäisch weiter, bis auf den Anstieg zu dem kleinen Dorf Combe-St. Nicholas. Dort hat es ein Bänkli unter der grossen Linde auf dem Dorfplatz. Wir schlecken ein Glace, schlürfen einen Energy-Drink (normales Isostar haben wir bis jetzt nicht gefunden) und beobachten, wie die proper gekleidete und beschuhte Dorfbevölkerung gen Gotteshaus eilt. Wahrscheinlich zu einer Beerdingung. Bevor wir dann auf die Hochebene der Blackdown Hills mit ihren Flugplätzen aus dem zweiten Weltkrieg kommen, müssen wir das Tal des Otter-River durchqueren. Das heisst, ca. 100 Höhenmeter mit 20% Gefälle runter und dann unmittelbar im gleichen Stil wieder hoch. Das Lakeview Manor in der Nähe des Dunkeswell Airfields ist schon ein ziemlich nobles Landhotel.

Kurve – tief eingeschnitten in den Sandstein….
… und der Ausblick, wenn man mal oben ist.

Amesbury – Sherborne

Farbenfrohe Innenstadt von Salisbury

Die Karte der heutigen Etappe lässt zumindest für die ersten paar Kilometer auf ruhiges Genussradeln entlang einem Flüsschen hoffen. Das ist auch in der Realität mehr oder weniger so. Nach knapp 20 km erreichen wir Salisbury und sind wieder einmal überrascht über ein schmuckes, kleines Städtchen mit riesiger Kathedrale (diesmal mit hohem, spitzem Turm). In einem prächtigen Nebengebäude ist eine Kopie der Magna Carta ausgestellt – so eine Art Bundesbrief der Briten. Wir vertiefen uns in die Besichtigung, können dann auch etwas besser nachvollziehen, weshalb sich diese Inselbewohner nur ungern dreinreden lassen (die Magna Carta wird mit einem Video zeitgemäss gedeutet) und vergessen fast das weiterradeln. Doch zuerst müssen wir an zahlreichen Polizeiabsperrungen vorbei.  Die Giftgasanschläge vor wenigen Wochen sind noch allgegenwärtig.

Im bereits üblichen Auf und Ab geht es mehr oder weniger zügig weiter bis nach Shaftesbury. Das ist auch so ein hübsches Städtchen mit altem Kern, aber im Gegensatz zu den bisherigen steht es auf einem Hügel und nicht tief unten in einem Tal. Bei Aussicht geniessen wir ein Glace auf einem der wenigen schattigen Parkbänke. (Davon gibt es in diesem Land nur sehr wenige. Offensichtlich ist in einem normalen Sommer wenig Bedarf danach, d.h. in den wenigen regenfreien Stunden setzen sich die Leute lieber ganz an die Sonne….). Kurz vor unserem Tagesziel machen wir etwas unangenehm Bekanntschaft mit einem englischen Adligen (oder einem seiner Adlaten). Unser Routenplaner navigiert uns offensichtlich durch seinen Grundbesitz. Es gibt zwar einen Fussweg durch das Anwesen des „Sherborne Castle“, aber da müssten wir das Velo tragen (sic!). Für unsere Argumente punkto Umweg am Ende einer 80 km Etappe hat er absolut kein Musikgehör, lässt dann aber beim Wegfahren den Motor seines Land Rovers laut aufheulen… Der Umweg reduziert sich dann auf eine schwungvolle Abfahrt und schon bald sitzen wir hinter einem „Sierra Nevada“ im „Half Moon Inn“ beim Znacht und lauschen dem chaotischen Geläut einer weiteren Kathedrale (so ähnlich wie im Tessin die Kirchen läuten – nur ziemlich viel lauter) … und sind froh, dass dieses gegen 22 Uhr verstummt.

Winchester- Amesbury

Es ist Sonntag Morgen. Nach dem Frühstück gehts ab in die Kathedrale. Sie ist riesig. Der Gottesdienst wird vorbereitet und der Organist ist am üben. Der Klang der Orgel verleiht dem Kirchenraum eine imposante Wirkung. Wir lassen die Stimmung auf uns wirken.

Dann sind wir wieder unterwegs: auf kleinen Strassen, die sich plötzlich in einem Wanderweg verlieren. Diesmal ist auch Dickicht dabei und an einer Stelle liegt ein Baum über dem Weg, sodass das Velo nur liegend untendurch kann. Wenigstens bleibt uns das Abpacken und Darüberheben erspart. Und die Schlangen in den Bäumen bleiben uns ebenfalls verborgen.

Dann folgen wieder schmale Strassen, weite Felder, kleine Orte mit hübschen Häusern.

In Amesbury machen wir einen Ruhetag und besuchen Stonehenge. Eine Zeitreise in die Steinzeit.

In dieser Gegend fallen die vielen Häuser mit Strohdächern auf.

Storrington – Winchester

Heute durchqueren wir den South Downs Nationalpark. Die ausgedehnten Wälder und Hügelketten sind ein Wander- und Mountainbike Paradies. So treffen wir heute Samstag viele Leute, obwohl wir weit weg von Dörfern und Strassen unterwegs sind…

Die Lerchen singen über den Bergwiesen, die Schafe weiden oder äsen um Schatten. Das Wetter ist wunderbar, sonnig und wolkig. Regen gab es scheinbar seit Wochen keinen. Wir finden für jede Pause eine hübsche Wiese oder ein Bänkli mit Schatten, etwas, dass wir in den USA sehr vermissten.

Auf Wanderwegen ist man mit dem bepackten Velo nicht schnell unterwegs. Die 82 Kilometer fordern uns. Doch wir wollen nach Winchester… Es hätte einige Gasthöfe gehabt unterwegs. Wir begnügen uns damit, unsere Wasserflaschen nochmals zu füllen. Und erreichen schliesslich das Hotel direkt neben der Kathedrale von Winchester.

South Downs Way

Royal Tunbridge Wells – Storrington

Die High Rocks sind Felsen in einem Wald direkt ausserhalb der Stadt. Wir können nur erahnen, dass sich ein Besuch lohnen würde, als wir vorbei kommen, ist der Zugang zum Naturdenkmal noch geschlossen. Wir fahren weiter und schrecken eine Gruppe Hirschkühe auf, ja, es ist gewaltig, wenn so grosse Tiere direkt nebenan davon galoppieren.

Der Weg führt auf einem alten Bahntrasse, mehr oder weniger flach und wir können zum ersten Mal in England richtig drauf los fahren („kilometerle“ = mit wenig Aufwand Kilometer sammeln).

Die Abzweigung vom Bahnweg verpassen wir vor lauter Freude über den guten Weg. Doch es führt kein Weg dran vorbei, wir müssen wieder in die Hügel. Der zweite Teil der heutigen Etappe wird erwartungsgemäss anstrengend und es wird spät, bis wir nach 80 km in Storrington ankommen und im White Horse unser Zimmer beziehen.