Andernach – Bingen: Felsen, Weinbau, Verkehrswege

Die Abkühlung vom Gewitter war erstaunlich wenig ergiebig. Die Hitzewelle dauert an. Es gibt keine andere Wahl: der Wecker läutet noch immer um 5 Uhr 30, das Frühstück gibts auch heute wieder im Hotelzimmer und bei Sonnenaufgang rollen wir bereits gegen Süden.

Koblenz erreichen wir ohne Probleme, doch dort passiert der grosse Fehler. Noch immer „ohne“ Karte fahrend, merken wir plötzlich, dass die Himmelsrichtung nicht mehr stimmt. Wir sind der Mosel gefolgt! Der Fluss kam uns schmal vor, die Schiffe haben sich verändert und der Radweg fehlte – das kann einfach nicht der Rhein sein. Wir fahren zurück, queren die Mosel über die nächste Brücke und fahren weiter zurück zur Mündung der Mosel in den Rhein – ein imposanter Punkt (Deutsches Eck)!

Dann folgt der wohl schönste Abschnitt des Rheins. Einzig auf den Abschnitten oberhalb Chur (resp. oberhalb Reichenau) kann es die Landschaft des Vorder- und Hinterrheins mit dem Abschnitt zwischen Bingen und Koblenz aufnehmen. Wir vergleichen mit der Donau und sind uns einig, dass hier die Wachau und das eiserne Tor zusammen kommen. Rechts und links wechseln sich Felsen und Reben an den meist steilen Flanken. Der Fluss mäandriert stark, ist zum Teil sehr schmal und es hat immer wieder Felsbänder im Flussbeet. Als Laie staunt man, dass die grossen Transportschiffe hier durchfahren können. Einem Frachter schauen wir zu, wie er den Mäander bei Hirzenach passiert – sehr eindrücklich. Links und rechts des Flusses gibt es auch an der engsten Stelle sowohl eine Strasse, als auch eine Eisenbahnlinie. Der Rhein ist eine bedeutende Verkehrsachse.

Gerne würden wir uns hier mehr Zeit nehmen. Doch die Bedingungen sind auch heute wieder ungünstig. Der Wind wird immer stärker, weht (auch heute!) von vorne und die Hitze ist unbarmherzig. So müssen wir weiter und dafür sorgen, dass wir an den Schatten kommen. Auf diesen Kilometern nehmen wir Abschied von der diesjährigen Tour. Ein würdiger Abschied einer eindrücklichen Reise und der Rhein macht definitiv Lust auf mehr.

Köln – Andernach: die ersten Hügel

Wir fahren früh los. Zuerst müssen wir die Fahrräder am Bahnhof holen, das geht ohne (grössere) Probleme. Dann sind wir unterwegs gegen Süden, die Sonne ist aufgegangen und begleitet uns durch die Rhein-Quartiere von Köln. Überraschend schnell ist man im Grünen, das kennen wir schon von Düsseldorf. Der Weg führt praktisch immer direkt am Wasser – wunderbar. Manchmal ist er etwas schmal geraten und der Belag ist leider meist in schlechtem Zustand. Doch bremsen tun uns heute nur zwei Dinge: die drückende Hitze und der fiese Gegenwind. Die Gesichter der entgegenkommenden Reisenden verrät, dass sie es leichter haben.

Zum ersten Mal seit Tagen gibt es heute Topografie. Zuerst fällt uns auf, dass das Rheinufer stärker terrassiert ist, dann kommen die ersten Hügel des Siebengebirges in Sichtweite. Kurz vor Bonn zeigt sich, dass das frühe Frühstück nicht ergiebig war. Gäbe es ein (offenes) Restaurant am Wegrand, wir würden Rührei und Speck bestellen. Doch wir sind noch immer zu früh, die wenigen Restaurants sind alle noch zu. Wir essen unseren Lunch.

Erst in Remagen haben die Strassencafés geöffnet. Alle Radfahrer sitzen im Schatten vor grossen Gläsern, wir tun es ihnen gleich. Dann geht es weiter, wir freuen uns über die schön angelegte Route, die Sicht auf den Rhein und die Wälder des Gebirges. Etwas ungewohnt ist das Geräusch des welken Laubes unter unseren Rädern. Es tönt, als wären wir im Herbst unterwegs. Die Bäume haben eindeutig Hitzestress – wir auch.

In Andernach liegt unser Hotel für heute Nacht direkt an der Rheinpromenade. Wir erfahren, dass man für den Besuch des Geysirs schon Wochen im Voraus reservieren muss. Es ist der grösste Kaltwasser-Geysir, seine Eruption ist 40 Meter hoch und findet alle zwei Stunden statt.

Als wir zum Nachtessen gehen ist es noch immer über 30 Grad heiss und schwül. Zwischen dem Hauptgang und dem Dessert setzt der Regen ein, zuerst fein und zögerlich, dann als heftiges Gewitter. Endlich gibt es etwas Abkühlung.

Industrie und Auen sind am Rhein nah beieinander
Kuriosum in Bonn: Bundesamt für magische Wesen
Rheinradweg

Düsseldorf – Köln

Heute haben wir eine kurze Tour geplant. An Köln wollen wir nicht vorbei rasen. Da wir gestern am Nordrand von Düsseldorf untergekommen sind, müssen wir jetzt zuerst durch die gesamte Stadt. Es hat viele Arbeitstätige, die mit dem Fahrrad in die Stadt fahren. Wir halten uns an sie. Die Rhein-Radweg Markierungen verlieren wir rasch, viel zu schnell sind wir unterwegs. Ein paar hundert Meter auf die Strasse, dann hat es rechts bereits wieder einen breiten Radweg und wir finden uns wieder auf einem wunderbaren Dammweg, weit weg von jeder Strasse. So einfach? Ja.

Noch duzende Kilometer später sind wir in den Vororten von Düsseldorf, doch den Radweg haben wir sicher gefunden. Zuerst folgen einige riesige Gartenbau Produktionsanlagen: so viele Topfpflanzen in Reih und Glied. Schon bald staunen wir über die Natur. Bis Leverkusen fahren wir mehrheitlich durch Auen. Dort nehmen wir die Fähre und fragen uns später, ob das ein Fehler war. Es wird industriell, wir müssen Hafenanlagen queren und finden uns auf grossen Strassen wieder. Eins wird klar: der Rheinradweg ist keine einfache Radtour. Es ist natürlich nicht verboten, die Karte zu benutzen und sich gut auf den Tagesabschnitt vorzubereiten. Wir sind (etwas fahrlässig) quasi ohne Karte unterwegs.

In Köln wohnen wir in unmittelbarer Nähe des Doms direkt am Rhein in einem uralten Haus. Für die Fahrräder ist kein Platz, wir bringen sie in die bewachte Radstation am Hauptbahnhof. Dort werden wir sofort als Schweizer entlarvt. Wegen der Sprache? Vermutliche wegen der Fahrräder. Der Herr ist nicht gesprächig, wir werden es nicht erfahren.

Den Nachmittag verbringen wir mit Shopping und dem Besuch im Dom. Drei Läden müssen wir unbedingt besuchen. Doch bei dieser Hitze ist das (zu) anstrengend. Überhaupt fragen wir uns, ob Radtouren und Städtereisen eine ideale Kombination darstellen. Meist sind die Beine einfach zu müde für lange Spaziergänge.

Blick in die Weite
Blick in die Höhe

Boxmeer (NL) – Düsseldorf (DE): endlich am Rhein

Zu Gunsten des Nationalparks Maas Dünen haben wir entschieden, auf dem direktesten Weg in Richtung Düsseldorf zu fahren und den „Umweg“ entlang dem Rhein durch das Ruhrgebiet weg zu lassen. Der Start in Boxmeer ist wieder ganz früh. Diesmal hat das Hotel ein einfaches Frühstück vor der Zimmertüre deponiert. Zum Müesli gibts jetzt noch Joghurt und Kaffee.

Auf den ersten Kilometern nehmen wir Abschied von der Maas. Die Fähre fährt erst in einer guten Stunde, macht nichts, es gibt eine Brücke die wir ohne Umweg nehmen können. Der Nationlpark Maas Dünen liegt direkt an der Grenze zu Deutschland. Wanderungen und Radrouten versprechen besondere Einblicke in diese einzigartige Landschaft.

Bei Lingsfort reisen wir nach Deutschland ein. Mit Strälen folgt gleich eine wunderbare kleine Stadt, die uns staunen lässt. Wir finden dort eine Bäckerei, in der wir Kaffee und Kuchen geniessen, genau richtig nach einem frühen Frühstück. Es ist Sonntag und alle hier Lebenden scheinen frische Brötchen zu kaufen.

Die Landschaft ist weiterhin flach. Wir erreichen Krefeld und müssen einen Weg durch die Stadt finden. Gar nicht so einfach. Irritierend ist, dass viele Radwege bezeichnet sind, nur nach Düsseldorf scheint man von hier aus nicht zu fahren. Noch Kilometer hinter Krefeld gibt es keine Wegweiser nach Düsseldorf. Liegen wir mit unserer Route komplett falsch? Schliesslich nehmen wir die Fähre in Langst-Kierst. Der einzige Weg, der auf den Radwegen markiert ist. Eigentlich wollten wir über die Autobahnbrücke, doch das einfädeln auf die Fahrradspur finden wir nicht.

Endlich am Rhein! In Kaiserwerth gibts erst mal eine Pause im Biergarten. Dazu erleben wir einen Live-Krimi. Im Rhein wird eine Person vermisst. Die Polizei und die Feuerwehr suchen mit Helikopter und Grossaufgebot. Später fährt das Rettungsboot das Ufer ab und fordert alle Badenden auf, den Rhein sofort zu verlassen. Er ist kein Badesee. Wegen der Hitze geniessen heute unzählige Personen den Sonntag am Wasser.

Das Hotel in der Nähe der Messe wartet mit einer besonderen Überraschung auf uns. In der Nacht ruft der Waldkauz aus den Bäumen!

Gorinchem – Boxmeer: die unendliche Ebene

Inzwischen rollt eine Hitzewelle über grosse Teile Europas. Es sind Temperaturen weit über 30 Grad angesagt und wir sind mitten drin. Unser Wecker läutet um 5 Uhr 30. Frühstück gibts im Hotelzimmer: Müesli mit Orangensaft und einer Frucht. Wir starten vor Sonnenaufgang und sind bereits auf dem Radweg unterwegs, als die ersten Sonnenstrahlen auftauchen. Links und rechts vom Dammweg hoppeln Hasen durch die Wiesen, wir beobachten Fasane (!) und freuen uns über die kühle Morgenluft.

Bei Zaltbommel überqueren wir den Waal und kehren an die Maas zurück. Auch heute verbringen wir einen langen Teil der Tagesetappe auf dem Maas Radweg. Es hat sehr viele Radfahrer unterwegs. In kleinen und grossen Gruppen kurven sie durch die niederländischen Ebenen. Es ist flach weit und breit ist keine Erhebung in Sicht. Je näher wir zur Grenze kommen, desto häufiger wird deutsch gesprochen.

Für die letzten Kilometer brauchen wir lange – die Hitze bremst uns richtig gehend aus. Anfangs Nachmittag erreichen wir die Unterkunft in Boxmeer.

Früh Morgens am Waal
Pause unter der Windmühle

Oostvoorne – Gorinchem: an der Maas

Wir entscheiden uns, auf die Fähre nach Hoek van Holland zu verzichten. Der Rheinradweg würde streng genommen in Hoek von Holland starten. Wir möchten heute vorwärts kommen, das gute Wetter mit den warmen Temperaturen ausnutzen um einige Kilometer zu machen. Es scheint uns einfacher, dies auf der südlichen Seite der alten Maas zu tun und Rotterdam zu umfahren. Zudem reizt uns der Nationalpark de Biesbosch, für den wir gerne Zeit einberechnen.

Die ausgezeichneten Radwege führen uns rasch ins Nachbardorf, dann über Felder entlang von Kanälen und rein in die landwirtschaftlich intensiv genutzte Fläche. In Spijkenisse überqueren wir die alte Maas. Kaum sind wir auf der anderen Seite geht ein unheimlicher Alaram los. Die Autos halten an und die Brücke wird hochgezogen. Es dauert einige Minuten, bis ein grosser Meerfrachter in Sichtweite kommt. Ihn werden wir die nächsten Stunden verfolgen.

Nun sind wir auf dem Maas-Radweg gelandet. Wir wollten eigentlich auf den Rheinradweg! Um einfach an Rotterdam vorbei zu kommen scheint uns der Maasradweg eine ausgezeichnete Lösung. Er führt uns auf dem Damm durch die Auen und an vielen schönen Plätzen vorbei. In Dordrecht müssen wir uns wieder orientieren und beginnen (endlich) zu begreifen, wie das System mit den Kotenpunkten funktioniert. Es sind jeweils Punkte angegeben, die man als nächstes erreicht. Die Route plant man von Kotenpunkt zu Kotenpunkt und merkt sich die Reihenfolge der Zahlen. Im Gelände folgt man dann jeweils den Schildern zur nächsten Ziffer. Als wir es endlich begreifen, finden wir den Weg aus Dordrecht und zur Fähre in den Naitonalpark de Biebosch.

In der Zwischenzeit ist es drückend heiss geworden. Trotzdem wollen wir uns die Zeit für den Parkbesuch nehmen. Zudem entscheiden wir uns für den Insektenschutz-Spray – wohl ein fataler Fehler. Wir radeln entlang der schmalen Strassen durch den Nationalpark, spiegeln rechts und links und halten beim Nationalpark Museum. Jetzt merken wir uns die Kotenpunkte für unsere Parkdurchquerung und radeln weiter. Es gäbe soviel zu entdecken, allerdings müsste man früh morgens hier sein. Trotzdem hat sich der Umweg gelohnt. Abgesehen davon, dass wir wohl zuviel Sonne abbekommen.

In Werkendam nehmen wir das Fährschiff und realisieren, dass es nicht nur über den Fluss, sondern bis nach Gorinchem, unserem Etappenziel, fährt. Also bleiben wir auf dem Schiff und sparen uns die letzten 10 Kilometer. In Gorinchem sind wir dann endlich am Waal – wenigstens am Waal – wir haben uns damit abgefunden, dass es hier keinen Rhein gibt. Hier gibt es dann auch einen Ruhetag.

Vor den Toren Rotterdams

Middelburg – Oostvoorne: in den Dünen

Wenn man eine Reise plant, hat man von manchen Orten eine genaue Vorstellung, von anderen weniger, man lässt sich überraschen. Von den Etappen am Meer hatte ich mir erhofft, dass es schönes Wetter ist. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie wir bei Wind und Regen durch die Dünen strampeln. Auch heute ist strahlendes Wetter mit hohen Temperaturen. Wir vervollständigen die Vorräte und radeln los.

Diesmal führen uns gewaltige Brücken zu den Inseln. Was sich gestern bereits angedeutet hat, wird heute eindrücklich bestätigt: in den Niederlanden ist der Verkehr komplett und konsequent entflechtet. Es gibt sogar eine eigene breite Spur auf der Brücke für den Langsamverkehr, wobei die Roller auch dazu gehören. Den Gesichtern der Entgegenkommenden entnehmen wir, dass wir einen angenehmen Rückenwind haben.

In Burgh führt der Radweg durch den Ort. Wir wollen nochmals Wasser kaufen. Vor dem Einkaufsladen gibt es eine lange Schlange von wartenden Touristen. Direkt vis-à-vis ist ein Veloladen. Wir verbinden zwei Dinge und ich frage nach, ob sie vielleicht meine lädierte Pedale ersetzen können. Ja, sie können. Während ich vor der Werkstatt im Schatten warte und mein Velo in luftige Höhe gehoben und operiert wird, gehen mindestens 17 Personen ein und aus, werden geduldig bedient, Kleinigkeiten an Fahrrädern reparitert, oder für einen längeren Service eingeplant und duzende von Fahrrädern werden vermietet. Trotzdem ist das Velo im Nu fertig und wir sind wieder unterwegs.

Weg durch die Dünen

Das heutige Ziel ist Oostvoorne, der äusserste Ort im Rhein Delta. Rhein Delta? Um genau zu sein ist der Fluss, der hier ins Meer mündet die Maas. Da wir am Anfang der Tour bereits an der Maas unterwegs waren, stört uns das nicht. Doch: der Rhein heisst in den Niederlanden Waal! Nichts von Rhein-Delta – ein Skandal!

Oostende (BE) – Middelburg (NL)

Vor der Abreise warnt uns der Herr an der Reception vor der bevorstehenden Hitzewelle. Wir sind froh, dass die Hitze an der Küste durch den kühlen Wind erträglich wird und hoffen, dass der Wind aus der „richtigen“ Richtung wehen wird. Im Hafen nehmen wir als erstes die Fähre und sparen uns so einige Kilometer.

Den Einstieg in den Radweg finden wir ohne Probleme, sind dann aber doch etwas überrascht, uns in einer unendlichen Schlange von Radfahreren wieder zu finden. Mann, Frau, Kind, alle fahren heute mit dem Velo in die Dünen bzw. enlang der Hotelburgen – eine hässlicher als die andere! Wir hatten mit zahlreichen Touristen auf Velos gerechnet, doch grad so!? In der Zwischenzeit haben wir auch verstanden, dass in Belgien absolute Maskenpflicht herrscht – auch auf dem Velo tragen wir eine Mundmaske („Mondmasker“). Wir kommen nur langsam voran. Das macht nichts, denn der Wind stärkt uns den Rücken.

Das Tram fährt entlang der gesamten belgischen Küste

Es folgt der Golfplatz und einige weitere architektonisch vollständig verunglückte Kleinstädte. Zwischendurch erreichen wir sogar unsere gewohnte Reisegeschwindigkeit. Das Sujet für das erste Bild nach 10 Kilometern ist das Tram, das hier für 80 km der Küste folgt. In Seebrügge queren wir den Hafen und erleben zum ersten Mal, wie man vor einer hochgezogenen Brücke stehen kann. Die Schleuse ist auf der anderen Seite geschlossen, sodass wir dort passieren können. In Knokke, dem letzten Dorf in Belgien wird der radfahrende Touristenstrom wieder dichter. Jetzt gibt es auch wieder mehr Radfahrer ohne Masken, das müssen die Niederländer sein, die über die Grenze fahren.

Im Grenzgebiet zwischen Belgien und den Niederlanden befindet sich der Zwin Natuur Park. Ein sehr schönes Naturschutzgebiet mit Wald und weiten Flächen für die Tiere, insbesondere für die Vögel. Wir haben nur ein kleines Fernglas dabei und entdecken zwischen den Möwen, Gänsen und Enten einen Löffler. Für die Bestimmung weiterer Watvögel fehlt uns die nötige Optik. Ein kleiner blauschimmernder Vogel fliegt über das Wasser. Vielleicht ein Eisvogel? Wir rasten mit Blick auf die Vögel und merken, dass wir bereits in den Niederlanden sind. Enet der Grenze tragen die Radfahrer keine Maske mehr. Wir sind froh, wieder frei atmen zu können. Trotzdem muss man sagen, dass man sich schnell an die Maske gewöhnt.

In den Dünen

In Breskens verpassen wir die Fähre nach Vlissingen grad, stellen dann aber fest, dass die Fähre aufgrund der grossen Nachfrage alle 30 Minuten fährt. Das reicht um eine Fahrkarte zu lösen, ein kaltes Getränk zu geniessen und sich zu orientieren, wo man anstehen muss. Im Öffentlichen Verkehr herrscht auch hier Maskenpflicht. Die Frage lautet allerdings: „Haben Sie eine Maske?“. Ja, haben wir. Es ist ein grosses Schiff und wir sind in Gesellschaft von duzenden Radfahrern und Reisenden.

Nach der Überfahrt fährt der lange Tross aus der Hafenanlage in den Ortskern von Vlissingen. Dort müssen wir den Einstieg auf die Route nach Middelburg finden. Dann folgen wir nochmals rund 10 Kilometern dem Kanal in dieses schmucke Städtchen und finden dort ein ganz neues Hotel mit einem wunderbaren Zimmer.

Tournai – Oostende: Ein Tag auf belgischen Nationalstrassen.

Am nächsten Morgen gehts früh los. Wir wollen ans Meer! Doch schon die Suche nach einem Lebensmittelgeschäft verläuft mit Umwegen. Als wir eines finden, teilen wir uns auf: jemand bewacht die Velos, jemand übernimmt den Einkauf. Wenn man draussen wartet hat man Zeit, die Leute zu beobachten. Als erstes fällt mir auf, dass die Leute mit Transportern vor diesem Lebensmittelgeschäft auf den Parkplatz fahren. Als zweites fällt auf, dass sehr viele Leute reingehen, aber nur wenige rauskommen. Diejenigen die rauskommen haben sehr grosse Wagen voller Lebensmittel. Es dauert. Ich vermute, dass dieser Einkauf etwas zwischen Erlebnis und Tortur ist, und meine Vermutung wird schliesslich, nach einer gefühlten Ewigkeit bestätigt. Näheres dazu bitte im Blog Beitrag „Reisen zu Zeiten von COVID-19“ nachlesen (Beitrag folgt).

Somit ist es nicht mehr früh, als wir Tournai verlassen. Wir wollen auf dem direktesten Weg nach Oostende und werden dazu die Nationaltrassen benutzen. Es gibt zwar überall Radwege, aber wir verstehen das System der wirren Zahlen nicht… Das benützen der Strasse ist aber kein Problem. In Belgien haben alle Strassen einen breiten Pannenstreifen und zwischen der Fahrbahn und dem Pannenstreifen einen schmalen Radstreifen. Wir nutzen wenn immer möglich den Pannenstreifen, dann ist man weit genug von den Fahrzeugen weg und es spielt keine Rolle, wenn sie schnell unterwegs sind.

In Kortrijk werden wir bei der Ortseinfahrt von einem besorgten Bürger in einem grossen Lieferwagen abgefangen: es herrscht Maskenpflicht – auch für Radfahrer. Wir zögern, beschliessen aber schliesslich, uns daran zu halten. Im Ortszentrum ist Markt. Es herrscht ein Gedränge, alle tragen Maske. So geht das. Wir trauen uns trotzdem, unsere erstandenen Süssgebäcke auf einer Parkbank zu essen. Das geht nur ohne „Mondmasker“.

Für heute Nachmittag ist Regen angesagt, deshalb wollten wir früh unterwegs sein. Die Wolken werden dichter und grauer, aber es bleibt vorerst trocken. Als dann die ersten Tropfen fallen, entscheiden wir, trotzdem weiter zu fahren. In einem Kreisel in der Ortschaft Torhout schlage ich die Pedale so unglücklich in den Boden (das kommt manchmal vor wenn man zu stark in die Kurve liegt), dass die Schraube des Körbchens endgültig abfällt und die Pedale stark verbogen ist. Zwei Schrauben der Pedale hatte ich bereits früher verloren. Ich kann zwar noch trampen, aber die Pedale ist stark lädiert.

Ortsausfahrt von Rosedaele – ein Einkaufszentrum reiht sich ans nächste. Konsumieren scheint eine Lieblingsbeschäftigung der BelgerInnen zu sein

Der Regen setzt bei der Ortsausfahrt ein. Wir stehen direkt vor einem Veloladen und nutzen die Chance, den Regen mit Reparatur Arbeiten zu überstehen. Doch es wird uns erklärt, dass sie zwar die richtigen Pedalen für mich hätten, dass sie aber leider eine lange Warteliste hätten und deshalb keine Fahrräder notfallmässig reparieren! Genauso will man behandelt werden auf Reisen. Unfreundlichkeit kann man sehr gut hinter COVID-19 verstecken. Der zweite Grund sei, dass sie mein Fahrrad zuerst desinfizieren müssten und das würde 7 Stunden dauern, so sei die Vorschrift. Konsterniert setzen wir uns unter ein Vordach, essen Guetzli und warten, bis der gröbste Regen durch ist. Dann gehts weiter.

Wir müssen noch ein paar Kilometer abstrampeln. Halten nochmals an und essen Nüsse. Das ist eine gute Entscheidung, denn in Oostende dauert es nochmal, bis wir den Dreh raus haben und auf der richtigen Strasse zum Hotel kurven. Wir sind am Meer! Wir residieren direkt an der Van Iseghemlaan, der Strasse, auf der das Tram fährt. Wir lassen es uns nicht nehmen, nach einer schnellen Dusche einen ausgiebigen Spaziergang am Strand zu machen und mit Blick auf’s Meer zu essen.

Ortstafel mit Spiegel – Selfie einmal anders…

Valenciennes (FR) – Tournai (BE)

Valenciennes verlassen wir mit dem Plan, dem Fluss Escaut zu folgen. Den Fluss finden wir schnell und auch eine Übersichttafel mit Velorouten ist vorhanden. Wir fühlen uns bestätigt. Der Weg wird schon nach wenigen hundert Metern schmal, ist bald eine Naturstrasse die von hohem Gewächs erorbert wird und ist dann nicht mehr als Strasse erkennbar. Wären nicht andere Personen zu Fuss und auf dem Velo hier unterwegs, wir würde umkehren. So geht’s weiter. Bei einem Firmengelände mit Flusszugang (direkter Ladebrücke für Frachter) zögern wir, besprechen uns mit den anderen Radfahrern (Einheimische ohne Ortskenntnis) und fahren weiter. Es kommen noch zwei Stellen, wo man das Rad über einen steilen Erdwall hieven muss. Vermutlich dient der Erdwall dazu, dass keine Autofahrer durchkommen. Alleine hätte ich mit dem bepackten Rad keine Chance – zu zweit schaffen wir es.

Dann kommt die erste Schleuse. Es sind grad Schiffe reingefahren, die Fluss aufwärts unterwegs sind. Wir schauen zu und merken, dass uns die Schifffahrt die nächsten Tage und Wochen begleiten wird. Es folgen lange Abschnitte auf einer guten Waldstrasse, entlang der Escault, mitten durch den Auenwald. Wären nicht die Schiffe, es wäre sehr einsam. Auch hier wuchern die Brennesseln und andere Pflanzen in den Weg hinein, doch der Untergrund ist fest, das ist das wichtigste für uns.

In Maulde, dem Grenzort ist der Radweg entlang dem Fluss kurz unterbrochen. Das ermöglicht uns ein Foto vom Grenzübertritt. Dann sind wir in Belgien und finden auch hier einen wunderbaren Radweg entlang der Escault. Meist sind es Betonplatten, welche den Weg bilden. Ab und zu haben die Platten abteuerliche Verschiebungen, die zu richtigen Stufen in der Strasse führen. Trotzdem kommen wir rasch voran, können meist neben eineander fahren und picknicken am Wasser mit Blick auf die Frachtkähne.

In der ursprünglichen Reiseplanung wollten wir nach Roubaix weiter fahren. Bei einem Cappucino neben dem Belfried von Tournai entscheiden wir, in Belgien zu bleiben und in Tournai zu übernachten. Das gibt uns einen freien Nachmittag zum Schreiben von Blog Beiträgen. Tournai ist eine wunderbare mitteralterliche Handelsstadt mit einem grossen Markplatz und einer Kathedarale aus dem 15. Jahrhundert. Ein würdiger Ort für einen halben Ruhetag!

Frachtkahn Emma auf der Escaut oberhalb Tournai