Von Rudo nach Han Pijesak – wieder in die Berge (in die Romanija)

Alles planen hilft nichts, die nächste Etappe wird hart. Bis zu den Unterkünften in Bergen sind es 90 Kilometer und rund 1800 Meter Höhenunterschied. Also eigentlich fast nicht machbar. Wir starten trotzdem in den Tag und nehmen es wie es kommt.

Der Morgen ist kühl und neblig, eigentlich herbstlich. 18 km nach Rudo steigt die Strasse rund 400 Meter hoch und eröffnet einen herrlichen Blick auf die letzten Schlaufen des Lim. Diesmal geht es also nicht durch die tiefe Schlucht sondern oben drüber. Dann kommt eine rasante Abfahrt und wir stehen auf der Brücke über die Drina. Hier waren wir vor zwei Jahren schon einmal. Diesmal zweigen wir nach links ab und fahren Drina aufwärts nach Medjedja. Sie ersten 30 Kilometer sind geschafft. Dort gibt’s Kaffee und einen Brunnen, um die Wasserflaschen zu füllen. Dann nehmen wir den Aufstieg in Angriff.

Morgennebel über dem Lim
Mündung des Lim in die Drina

Die Strasse ist schmal, ist bereits im Ort nur noch eine Spur breit. Ausgangs Dorf ist der Belag weg. Es ist eine Schotterpiste, und der Schotter ist tief, das Velo rutscht ständig weg. Die Steigung ist trotzdem gross und so kommen wir nur noch sehr langsam voran. Es braucht Kraft und erste Zweifel kommen auf ob wir heute das Ziel erreichen. Auf rund 1040 Metern machen wir Mittagsrast. Wir sind bereits einem Bauern und drei Netzelektrikern begegnet. Ganz verloren sind wir also nicht. Während der Rast steigt ein Schlangenadler mit Beute im Schnabel hoch. Sehr eindrucksvoll. Dann kommt ein knatteriger alter Golf daher. Der Fahrer hält an, steigt aus, streckt uns die Hand aus. Er will alles wissen, zweifelt, ob wir wissen was wir tun hier oben. Die Verständigung ist nicht ganz einfach, doch wir meinen, zwei Dinge zu verstehen. 1. In rund zwei Kilometern ist die Strasse asphaltiert. 2. Hätte er einen Kombi, er würde uns mitnehmen.

Und so ist es. Bald darauf rollen wir auf ein schönes Strässchen und durch die Hochebene Bosniens – die Romanija, Hügel auf, Hügel ab. Um diese Gegend ranken sich zahlreiche Legenden und Geschichten. So ist hier die Hajducija entstanden. Die Heiducken werden als balkanische Robin Hoods romantisiert, die die (christliche) Landbevölkerung gegen die (osmanischen) Herrscher verteidigt haben sollen, wobei die Grenzen zum „normalen“ Wegelagerertum vermutlich fliessender gewesen sein dürfte, als dies in den Volksliedern besungen wird. Im zweiten Weltkrieg war die abgelegene Romanija ein Zentrum der jugoslawischen Partisanen im Kampf gegen die faschistischen Verbände der Besatzer, der Ustascha und der Tschetniks. Im Bosnienkrieg war die Romanija das Zentrum der serbischen Aktivitäten in Bosnien. Heute ist sie ein Tummelfeld für outdooor-Aktivitäten.

Nach rund 50 Kilometern kommt ein Schild zu einem Hotel. Es ist erst 14 Uhr und wir entscheiden uns, weiter zu fahren. Kurz vorher haben wir in einer Kafana am Wegrand kalte Getränke bekommen.

Durch die Romanija

Völlig überraschend ‚endet‘ das Strässchen in einer Waldabfahrt bei einem Haus. Rechts geht ein schmaler, einspuriger Weg weiter, links ein neues Waldsträsschen und hinter dem Haus kommen zwei kläffende Hunde auf uns los. Zum Glück steigt gerade ein Mann in seinen ramponierten Golf. Er sagt, das Waldsträsschen sei der Weg nach Han Pijesak, durchgängig asphaltiert. Die geplante Route sagt, dass es bei den Hunden weiter geht. Der Mann rattert davon, es bleiben uns nur Sekunden für sie Entscheidung, die Hunde kläffen schon wieder. Also nehmen wir die Waldstrasse. Wir sind noch rund 27 Kilometer vom Ziel entfernt. Für Umwege und um in den unendlich scheinenden Bergwäldern verloren zu gehen bleibt also noch viel Raum.

Die Gegend lebt von der Holzwirtschaft. Die Strasse wurde offensichtlich dafür angelegt. Sie führt Kilometerweit flach (!) durch den Wald, bevor sie dann wieder Hügel auf und Hügel runter führt. Es kommt ein Haus, vermutlich ein Ferienhaus, dann ein abgelegener Hof. Irgendwann kommt eine Abzweigung. Jetzt wird es schwierig. Es sind noch immer 10 Kilometer bis zum Ziel und die geplante Route ist noch weit weg. Also weiter. In einer Lichtung stärken wir uns mit Keksen. Irgendwann erreichen wir eine Anhöhe. Von da sieht man in die Hochebene hinaus und kann an den Wohnhochhäusern im Baustil der Jugosphäre endlich erkennen, wo das heutige Tagesziel ist.

Vier Kilometer vor dem Ort kommen wir auf die geplante Route zurück. Die Strasse steigt nochmal tüchtig an, dann erreichen wir erschöpft Han Pijesak. Im Laden füllen wir die Vorräte und gleiten dann runter zur Unterkunft in einem schönen Gasthof .

Sind wir jetzt oben angekommen?
Strasse für die Holzwirtschaft

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