Auf dem Donau-Damm von Apatin nach Budapest

Apatin verlassen wir über den Hafen auf einer properen Strasse. Das Händi meldet schon bald die Einreise nach Kroatien: die Grenze ist hier sehr verschlungen, folgt eigentlich den Mäandern der Donau oder doch mitten im Hauptstrom des Flusses? Der Auenwald ist sehr breit und wir fahren auf dem Damm. In Bački Monostor treffen wir auf einen kleinen Ort, der mit dem Slogan Amazonas Europas auf den internationalen Naturpark im Dreiländereck Kroatien, Serbien, Umgarn aufmerksam macht. Auf Informationstafeln wird den Gästen die Besonderheit der regionalen Natur erklärt.

Bački Monostor, ein Grund wieder zu kommen

Es sind noch zwei drei kleine Dörfer bus zu Grenze. Dann stehen wir am massiven Stachelhag der Schengen Aussengrenze, mit unserem Pässen kommen wir problemlos durch, für andere unpassierbar. Auf der ungarischen Seite soll es ein Café geben, wir landen vor einer improvisierten Bude direkt vor einer Kontainer Kaserne, wo Pickups zur Grenzbewachung ein- und ausfahren.

Bis Baja folgen wir der Strasse. Die Route über dem Radweg ist für einen Hitzetag zu weit, das würden wir heute nicht schaffen. Wir rasten nochmal und fahren dann bis Baja, wo sich die Hitze auf dem grossen Hauptplatz staut. Schon beim Bestellen eines Eiskaffees staunt die Reisende, dass man hier auf Deutsch bedient wird. Auch an der Rezeption kommt einem einwandfreies Deutsch entgegen. Der Weg vom Hotel zum Lebensmittelgeschäft wird zur Qual, es ist furchtbar heiss. Doch wir brauchen Wasser und Lunch für morgen. Wir treffen andere Radreisende und kommen ins Gespräch.

Baja, ein schmuckes Städtchen

Von Baja aus starten wir nicht sehr früh, wir nehmen noch Frühstück vom Buffet zu uns. Die 85 Kilometer bis Solt verlaufen fast vollständig auf dem Damm. Zuerst ist die Strasse schön ausgebaut. Wir scheuen ein Reh und einen Fuchs auf und trinken kalte Limunada im Fährenbeizli. Dann nehmen wir den Sandpistenabschnitt in Angriff. In Anbetracht der gefahrenen Geschwindigkeit ein sehr guter Weg, obwohl man manchmal recht stark ins Schleudern gerät. Ein Feldhase flüchtet, die Bienenfresser jagen unbeeindruckt der Radreisenden. Heute rasten wir an einer Bushaltestelle in einem kleinen Ort, trinken nochmal kalte Limunada und erreichen Solt anfangs Nachmittag. Die Unterkunft heisst Eurovelo6-Stop. Zur Begrüssung gibts ein Bier vom Hahn.

Vier Tage auf dem Damm unterwegs mit vielen Tier- und Vogelbeobachtungen

Als wir Solt verlassen, ist es bereits wieder heiss. Bald sind wir wieder auf dem Damm und nach rund 16 Kilometern geht die Strasse in eine Graspiste über. Die Schafe haben den Damm sauber abgefressen: so stellen wir uns Radfahren in der Mongolei vor. Oder müssen wir Hitze noch mit Kälte ersetzen? Es kommen uns nun mehr Radfahrer entgegen. Christian grüsst freundlich auf ungarisch, worauf keine Gespräche zu Stande kommen. Vor Dömsöd beginnt sich die Situation zu verändern: links ist jetzt direkt der Donauarm, rechts einfachere und luxuriösere Häuser, teilweise als Wochenendhäuser genutzt, teilweise als feste Wohnsitze. Wir machen Pause am Wasser und werden von einem Eisvogel und zwei Wasserschlangen begrüsst.

Zwischendurch rasten wir an einem kleinen Imbiss, trinken kalte Getränke und warten, bis sich der Puls etwas beruhigt. Es ist drückend heiss, wir haben das Gefühl, dass es jeden Tag heisser wird. Die Strasse führt teilweise um die Häuser herum, heute ist viel Kartenlesen und Routechecken angesagt. Für die letzten Kilometer bis zum Hotel gehen wir auf die Strasse. Das Tagesziel liegt noch rund 20 Kilometer ausserhalb des Stadtzentrums. Von der Nähe zur Hauptstadt merkt man vor allem, dass der Verkehr dichter und ungeduldiger wird und im Restaurant wo wir am Abend essen gibt es vegane Gerichte.

Auf dem Donau-Damm von Novi Sad nach Apatin

Fragt man Google nach dem kürzesten Weg von Novi Sad nach Apatin bekommt man die Antwort 98 Kilometer. Auf dem Donauradweg sind es 170 Kilometer. Ein grosser Teil davon auf unbefestigten Pfaden. Bei angekündigten 30 Grad, jeweils ab 10 Uhr. Bei angekündigtem Wind, aus Nordwesten. Die Bedingungen sind nicht gerade ideal für unser Vorhaben, akribische Planung ist angesagt. Wir prüfen die Route, suchen Alternativen, versuchen abzuschätzen wieviele Kilometer auf unbefestigten Strassen verlaufen. Suchen verzweifelt (!) Unterkünfte in vernünftigen Distanzen. Und wenn man unterwegs ist, kann man es nur noch nehmen wies ist. Das ist gut. Manchmal dauert es etwas länger als erwartet, manchmal geht es einfach.

Von der Ausfahrt aus Novi Sad könnten alle CH-Verkehrsplaner ungeniert lernen. So geht das:

Raus aus Novi Sad

Nach wenigen Kilometern sind wir auf dem Donauradweg, super ausgebaut, super gekennzeichnet. Es bleiben keine Wünsche offen. Wir kommen voran und erreichen Bačka Palanka und den Grenzübergang nach Ilok, Kroatien. Wir bleiben in Serbien und fahren weiter, es wird einsamer. In einem Restaurant trinken wir Limunada und beobachten Rallenreiher. Ein kanadischer Velofahrer ist unterwegs nach Istanbul.

Noch zwei Dörfer, dann sollte die Abzweigung zum abgelegenen Hotel an einem Badesee kommen. Es ist heiss, staubig, windig und anstrengend. Wir trinken kühle Getränke und essen Glacé. Irgendwann kommt dann die lange ersehnte Tafel an einer Abzweigung und wir nehmen Kurs auf die letzten Meter, hoffentlich. Am See mit Sandstrand hat es viele Badende, es sind sehr viele Autos geparkt und das Hotel sieht eher klein aus. Die Hoffnung auf ein freies Zimmer schwindet. Doch wir haben Glück und bekommen ein wunderbares Zimmer, können duschen und uns für den kommenden Tag erholen.

Nachtspaziergang um den Badesee mit Blick auf das Hotel (Bački Dvor, Jezero Provala)

Am nächsten Morgen gibt es ein frühes Müesli-Frühstück auf der Hotelterrasse. Dann nehmen wir direkt Kurs auf den Donauradweg. Auf einer Sandpiste legen wir die ersten Kilometer zurück. Ein Haselhuhn flüchtet, der Pirol singt. Nach rund 10 Kilometern treffen wir zwei bepackte Radfahrer aus Spanien. Sie wollen ins Donaudelta.

Nach 40 einsamen Kilometern haben wir vier Fahrzeuge, ein Pferdefuhrwerk und fünf Radfahrer getroffen, abgesehen vom Grenzübergang nach Kroatien, dort warteten ein paar Lastwagen. Eine Wildschwein Rotte quert den Damm und einige Sauen suhlen sich ausgiebig im Schlamm. Ich bin zu fasziniert um ein Foto zu machen. Zur Mittagspause durchqueren wir den breiten Auenwald bis zum Ufer der Donau vis-à-vis von der Draumündung. 2014 sind wir auf der kroatischen Seite gefahren und sind der Drau bis ins Quellgebiet im Toblacherfeld (Südtirol) gefolgt.

Donau mit Blick Richtung Mündung der Drau

Auch heute ist es wieder heiss, staubig, windig und streng. Wir erreichen Apatin, die Brauereistadt und Heimat des Jelen Pivo, anfangs Nachmittag. Den ganzen Tag gab es kein Dorf, keinen Laden, kein Restaurant; nur einsame Stunden auf dem Damm. Deshalb gibt es jetzt zuerst ein Glacé und ein kaltes Getränk. Dann finden wir ein wunderbares Hotel.

Auf nach Novi Sad

Heute kommen wir mal wieder an einem Ort vorbei, an dem wir schon mal gemeinsam mit dem Velo unterwegs waren. Auf der Tour ‚Rund um Ungarn‘ sind wir 2014 über die Fruška Gora gefahren und haben Novi Sad rechts liegen gelassen. Heute queren wir das Gebirge, um an die Donau und in die Stadt zu gelangen.

Der Aufstieg ist zwar sehr steil, aber nur 5 Kilometer weit, dann sind wir bereits oben. Da waren wir also schon mal, mit dem Velo, vor 8 Jahren! Wir nehmen uns die Zeit und lesen die Informationstafeln zum Nationalpark und den neuen Radwegen (mit-unterstützt von der DEZA). Und die Geologie der Fruška Gora würden wir jetzt auch noch gerne verstehen, wo es doch im Süden genauso eben ist wie im Norden: die englische Wikipedia weiss Rat. Es handelte sich um eine Insel im Pannonischen Meer. Deshalb konnte sich diese reiche Flora und Fauna bilden.

Dann fahren wir runter, halten kurz beim Kloster Rakovac. Die Velos stehen am falschen Ort, wir werden davon gejagt. Oder war es doch wegen der kurzen Hosen in der Klosterkirche? Egal, wir haben einen Eindruck bekommen. Es geht weiter, runter an die Donau und stromabwärts bis zum grossen Park in Sremska Kameniza. Dort haben wir genug von der viel zu schmalen Strasse. Wir queren durch den Park und nehmen die Autobahnbrücke auf die andere Donauseite nach Novi Sad und entdecken den Sandstrand!

Wir fahren zuerst entlang der Donau, besuchen Petrovaradin auf der anderen Seite der Donau, das im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2022 ausführlich renoviert wird. Dann setzen wir uns in ein Strassencafé, beziehen das Zimmer im Hotel und gehen auf einen Stadtrundgang mit Museumsbesuch. Nach 12 Tagen im Sattel sind die Beine sehr müde. Was am ‚Tag in der Grossstadt‘ nicht fehlen darf: Einkaufen für die letzten Ferientage.

Über die Autobahnbrücke nach Novi Sad, Blick auf den Sandstrand

An den Fuss der Fruška Gora

Die schwarzen und weissen Schwäne sind schon wach, als wir das Frühstück suchen. Folgt man dem Schild ‚Breakfasthall‘ steht man in einem zu gross geratenen Abstellraum für Tische und noble Stühle. Es sieht aus, als ob hier die Möbel auf die nächste Hochzeitsfeier warten. Heute gibt es ein Frühstücksbuffet. Im Gegensatz zur Hotelanlage fällt es nicht üppig aus, aber wir finden Nahrhaftes, um unseren Kalorienbedarf zu decken. Der Saft kommt aus der Maschine und schmeckt künstlich, der Kaffee ist leider nicht trinkbar. Bei manchen Maschinen könnte man sich die Mühe sparen, den Knopf zu drücken.

Bald darauf rollen wir in die Ebene hinaus, vermeiden die Nähe zu Bijeljina. Trotzdem hat es erstaunlich viel Verkehr und erstaunlich viele Dörfer. Die Gegend ist sehr dicht besiedelt. Der Pirol singt, wie fast jeden Morgen in dieser Woche an der Drina. An der Grenze warten bereits Dutzende Fahrzeuge und ebensoviele Lastwagen. Wir fahren vorbei und werden sofort zum Schalter für Busreisende gewinkt. Das gibt den Stempel Nummer sechs von Bosnien in fünf Tagen. Dann dürfen wir ausreisen und die Sava überqueren.

Die Sava nördlich von Bijeljina

Die Strasse ist nicht so gut, es windet ziemlich stark und von der Fruška Gora, unserem Tagesziel ist noch nichts zu sehen. Wenn man aus den Bergen kommt, erwartet man in der Ebene eine einfache Etappe. Diese ist uns heute vergönnt. Es ist Zeit für eine Pause. Christian geht in den Laden und kommt mit einer vielversprechenden Packung Guetsli wieder raus. Nach dem zweiten Biss bekommen sie den Übernamen „Sandstürmli“. Wir kommen in Sremska Mitrovica vorbei und machen unter einer grossen Kastanie Rast. Dann verlassen wir die Stadt im Norden, queren die Autobahn und realisieren, dass die Strasse ansteigt. Wir nähern uns den Bergen. Es ist heiss, staubig und streng. Das Wasser aus der Flasche ist wärmer als der Körper, ein klares Zeichen dafür, dass es keine einfache Etappe sein kann unter den heutigen Bedingungen. In Stejanovci trinken wir Limunada mit viel Eis. Zwischen zwei Dörfern nehmen wir die Abkürzung auf einen sandigen Feldweg. Der Feldhase flüchtet.

Dann plötzlich gibt es eine ‚Bodenwelle‘ und man ist im Aufstieg des Bergfusses angekommen. Vrdnik und Thermalquelle: wir kommen! In einem luxuriösen Hotel quartieren wir uns ein und sprudeln im Thermalwasser. Für das schicke Restaurant reicht unsere Garderobe nicht. Wir essen im Dorf.

Hinter den Bergen liegt Bajina Bašta

Vor der Einfahrt in die Schlucht

Bereits vor Višegrad haben wir erste Erfahrungen mit bosnischen Tunnels gesammelt. Im Gegensatz zu den montenegrinischen sind sie hierzulande meist beleuchtet. Die Strasse steigt noch in der Stadt steil an. Eine Ansage für den heutigen Tag. Bald sind wir mitten in einer Schlucht. Die Strasse verläuft entlang der Eisenbahn, sie steigt kontinuierlich an. Nach rund 20 Kilometer, einigen Tunnels und bereits etlichen Höhenmetern erreichen wir die Grenze zu Serbien.

Im Grenzort kaufen wir Brot, Käse und eine Gurke ein. Wir sind jetzt im Tara Nationalpark. Dann klettern wir weiter durch die Wälder, hinauf auf die Kreten der unendlichen Weiten des Balkans. Zu oberst gibt es wieder ein Tunnel, 780 Meter, dann haben wir es geschafft. Es tropft und bald regnet es richtig. Wir ziehen die Regenjacke an! Eine Premiere diesen Sommer. In Kremna treffen wir zwei serbische Radfahrer. Sie machen heute die gleiche Tour wie wir, nur in die andere Richtung. Wir zweigen ab, lassen die (wenigen) 40-Tönner Lastwagen nach Belgrad gerade aus fahren. Der zweite Aufstieg des Tages entpuppt sich als endloser Weg durch einen wunderschönen Föhrenwald.

Blick in die Weite der Berge zwischen Višegrad und Bajina Bašta

Nach einer kurzen Pause machen wir uns an den Abstieg. Eine lange Abfahrt führt uns direkt nach Bajina Bašta, wo wir heute übernachten.

Aus Tara und Piva wird die Drina – vorbei an bosnischen Städten

Wir lernen dazu: diesmal melden wir uns vom Frühstück ab und erhalten ein Lunchpaket. Sensationell! Es geht wieder früh los. Es liegt noch Nebel über der Piva. Die paar Kilometer bis zur Grenze nach Bosnien haben wir schnell geschafft, die Ausreise geht problemlos, die Einreise in Bosnien ebenso. Nur: vom Zusammenfluss von Tara und Piva zur Drina sehen wir nichts. Für uns das Spektakel des Tages! Ich bin versucht, das Bild meines verzweifelten Versuchs den Zusammenfluss zu fotografieren zu posten.

Nach einer kühlen Nacht liegt Nebel über der Piva

Nach der Grenze ist die Strasse schlecht, in Europa habe ich noch selten eine so schlechte Hauptstrasse gesehen. Uns kümmerts wenig, wir kommen voran und es geht flussabwärts. Vorbei an Orten wie Foča und Goražde, die in der ersten Hälfte der 1990er Jahre aus dem Nichts tragische Allgegenwärtigkeit hatten. Und die heute eigentlich niemanden mehr interessieren. So wie es aktuell mit den vielen Orten in der Ostukraine passiert. In Foča besuchen wir die Aladža Moschee. Sie stammt ursprünglich aus den 1550er Jahren und wurde im Mai 1992 gesprengt. 2019 wurde der prächtige, originalgetreue Nachbau eröffnet. Das alles mag als Lauf der Geschichte bezeichnet werden. Verstehen tun wir‘s dennoch nicht.

Nach Foča wählen wir die kleinere Strasse auf der rechten Seite der Drina. Eine gute Wahl: sie ist schmal, meist gut geteert und hat keinen Verkehr. Rund 10 Kilometer vor Goražde müssen wir dann doch auf die Hauptstrasse. Gerne wären wir bis Višegrad gefahren heute. Aufgrund der Hitze bleiben wir aber in Goražde, der einzigen Stadt der Bosnischen Föderation an der Drina. Alle anderen gehören zur Republika Srpska. Goražde war eine der UN-Schutzzonen im Bosnienkrieg mit zeitweise bis zu 70‘000 Einwohner:innen. Auch hier ist von jener Zeit nicht mehr viel zu sehen. Eine Ausnahme macht die Brücke unter der Brücke, welche die Menschen hier bauten, um den Snipern zu entgehen. Und alles ist etwas ärmer bzw. scheint etwas perspektivenloser als anderswo.

Auch die Drina macht hier nicht mehr den gleich unbeschwerten Eindruck wie weiter oben. Etwas planlos folgt ihr Wasserstand dem Bedarf des Kraftwerks und das Wasser ist nicht mehr ganz so klar. Es scheint fast, dass auch sie nicht so viel Leid und Trauer aufnehmen mag.

Die Brücke unter der Brücke in Goražde

Über die Berge an die Piva

Um 5.30 Uhr läutet der Wecker. Es ist bereits hell. Wir befinden uns am Ostrand der Zeitzone, früh aufstehen fällt also einfach… Im Hotel hat es kein Wasser, Mist ich habe bereits gespült… Wir sind bereit zum Losfahren, wollten aber noch am Frühstücksbuffet vorbei. Es ist Sonntag und um 6.15 Uhr gibt es kein Anzeichen dafür, dass es hier etwas zu Essen oder Trinken geben könnte.

Da wir eine weitere Bergetappe vor uns haben, fahren wir ohne Frühstück los, vorbei an Zabljak, hinaus in die Wiesen- und Steppenlandschaft. Ein Hund in der Grösse eines Kalbes möchte mit kommen. Dann gibt er auf, wir hatten grad ein stattliches Tempo. Das ändert sich, als wir von der Hauptstrasse rechts abzweigen auf eine weitere ‚Panoramic Road‘, übersetzt ‚die Krone von Crna Gora‘. Die Strasse steigt an, hinauf in ein Tal, zuerst noch im Buchenwald, dann bald im Wiesland, vorbei am höchsten Gipfel Montenegros (Bobotov Kuk). Ein Bänkli lädt zu einer Pause, wir essen Früchte. Auf der ersten Passhöhe essen wir Müesli und beobachten die Bergsteiger, wie sie sich für die Tour rüsten. Kühe weiden auf und neben der Strasse und der Parkwächter kontrolliert, ob alle ihren Eintritt in den Nationalpark bezahlt haben.

Zabljak liegt hinter uns
Die letzten Buchen spenden Schatten
Noch immer sind wir im Durmitor Nationalpark
Auf der ersten Passhöhe

Nach der ersten Passhöhe fahren wir va. 300 Höhenmeter runter, um sie gleich wieder erklimmen zu müssen. Linkerhand beobachten drei Gämsen das Treiben. Der Steinschmätzer und die Alpendolen interessieren sich nicht für uns. Kurz nach der zweiten Passhöhe treffen wir einen jungen Velofahrer aus Lichtenstein. Er hat die krasse Höhe von der anderen Seite schon fast geschafft! Die Abfahrt ist lang und entzückt durch wechselnde Blicke und Landschaften. Auf halber Höhe verkauft an einem der spärlichen Stände ein schon recht bierseliger Herr eine Glace am Strassenrand, da sagen wir nicht nein.

Landwirtschaft in den Bergen des Balkan
Auf der Strasse am Pivasee angekommen
Pivasee, das grösste Trinkwasser Reservoir des Balkan

Auf der Strasse entlang des Pivasees angekommen, müssen wir das Licht einstellen und die Leuchtweste anziehen. Es hat hier viele Tunnels. Dienen die Tunnel heute als willkommene Schattenspender? Zum Glück hat es nicht allzuviel Verkehr. Zumindest hat es keine grossen Busse oder Lastwagen. Und das längste Tunnel ist tatsächlich extrem kühl. So erreichen wir müde und erschöpft das wunderbar gelegene Waterfall Rafting Kamp, bekommen eine Hütte und zwei Bier und setzen uns erst mal mit einem Niksicko an den kühlen Fluss.

Morgen werden wir Montenegro verlassen. Es muss hier ausdrücklich festgehalten werden: Montenegro ist ein wunderbares Reiseland, wir sind überall herzlich empfangen worden und hatten ausschliesslich freundliche Gastgeber. Mit Englisch kommt man überall durch und manche können sogar sehr gut Deutsch. Das Essen war immer vorzüglich, höchstens die Portionen sind deutlich zu gross (mindestens 300 Gramm Fleisch).

Durch die Taraschlucht und hinauf zum Durmitor Nationalpark

Die Nacht in der kleinen Hütte auf dem Campingplatz ist kühl und bequem. Wir schlafen ausgezeichnet, fast etwas zu lange. Es gibt ein Müesli vor der Hütte, die Sonne scheint schon in die Schlucht und dann gehts los. Es ist noch kühl, man spielt mit dem Gedanken, eine Jacke anzuziehen, es soll aber heute über 30 Grad heiss werden, also lassen wir die Jacke. Die Schlucht ist tief und eindrücklich, die Tara weit unten, ein rauschender blauer Fluss. Die Tunnel sind kurz, jedenfalls fast alle. Nach einem kurzen Gegenanstieg erreichen wir die hohe Tarabrücke. Hier wollen wir gegen Zabljak abzweigen. Zuerst gibts noch Limonade und Priganice, frittierte Teigbällchen mit Honig, Konfitüre oder Käse zur Stärkung.

In der Taraschlucht

Dann gehen wir in den Aufstieg, nehmen Kurve um Kurve und steigen immer höher. Es hat noch erstaunlich viel Schatten, die hohen Bäume des alten Waldes helfen uns, die Hitze zu ertragen. Während einer Trink- und Atempause überholt uns ein junger Serbe auf dem Velo. Er ist etwas schneller unterwegs als wir. Dann habe auch wir die Anhöhe erreicht, gleiten hinab in die Hochebene und über einen langgezogenen Hügel hinauf zum Durmitor Nationalpark.

Als wir das Hotel erreichen, setzen wir uns erstmal in die Veranda und trinken eine grosse kalte Limonade. Der Ausblick auf die hohen Berge bestätigt die Entscheidung hier oben einen Tag zu bleiben.

Blick über den Crno Jezero im Durmitor Nationalpark

Am Ruhetag fahren wir hinauf zum Crno Jezero, spazieren rund um den See und geniessen den Ausblick, die kühle Luft und den wunderbaren Urwald.

Vom See in die Schluchten – Morača und Tara

Durch die Schlucht der Tara

Wir fahren wieder mit dem Zug. Eigentlich gäbe es eine Haltestelle direkt vor der Unterkunft, man müsste aber von der stark befahrenen Strasse einen ca. 50cm Absatz direkt auf den Schotter des Gleises, dann über das Gleis und hinauf aufs Perron. Also radeln wir kurz nach 5 Uhr ans Bahnhöfli von Zeta. Das hat auch schon bessere Zeiten gesehen (wenn es die denn je gegeben hat). Weder der ausgehängte Fahrplan noch jener aus dem Internet scheinen zutreffend zu sein, wie ein kurzes Radebrechen mit der Bahnhofvorsteherin ergibt. Etwa um 6 Uhr kommt dann ein komplett aus der Zeit gefallener Zug, der uns auf der absolut spektakulären Strecke durch die Morača-Schlucht bringt. Nach einem langen Tunnel kommen wir an die Haltestelle von Matešovo. Ob hier je Veloreisende ausgestiegen sind? Nach dem Schock “wo ist hier die Strasse, die uns weiterbringt?” (es ist eher ein Zweitklassfeldweg) radeln wir bald auf der grossen Strasse nach Kolašin und Mojkovac. Nach wenigen Radumdrehungen hocken wir in einem Resti und bekommen die nächste Überraschung serviert: Montenegrinisches Raclette zum Zmorge. Ohne Weisswein und Kirsch. Aber eine Riesenportion, die den Rest das Tages hinhält 😇. Mit etwas gar vollem Bauch gehts dann entlang der Tara durch all die Abschnitte ihrer spektakulären Schlucht. Höhepunkt ist dann der absolut idyllisch gelegene Campingplatz namens Eko-Oaza.

Bahnhof von Zeta (Crna Gora)
Montenegrinisches Raclette zum Zmorge