Wir sind wieder on the Road! Nach dem Wilden West vor einem Jahr ist es heuer der wilde Osten. Wir machen uns auf ins Land der Ruthenen, Lemken, Boyken und Huzulen. Klingt auf den ersten Blick fast wie Indianerstämme im Wilden Westen ist in der Tat aber tiefstes Mitteleuropa – mitten. Was vor einem Jahr Sagebrush und Ponderosa Pines waren, sind hier die Buchen. Ein sanft gewelltes Hügelmeer mit Laubwald soweit das Auge reicht. Wir sind unterwegs im Grenzgebiet von einst Galizien und Oberungarn – heute Polen und Slowakei (und etwas weiter ostwärts Ukraine). Ein Landstrich, der von traditionsbewussten Minderheitsvölkern bewohnt wird – oder besser wurde. Und aus der einer der wohl berühmtesten Künstler des letzten Jahrhunderts stammt: Andy Warhol.
Ein guter Anknüpfungspukt an die letztjährige Reise ist das grosse, Andy Warhol gewidmete Museum in Medzilaborce. Ohne dieses Museum gäbe es kaum einen Grund in diese östlichste kleine Stadt der Slowakei zu reisen – der Ort ist wirklich ziemlich abgelegen! Nach Wien, dem (auch schon abgelegenen) Umsteigebahnhof Kysak (wo wir die schon etwas ungeduldigen Velos auf den Asphalt setzen) sind wir nach drei Tagen dort. Grad rechtzeitig bevor das Gewitter beginnt. Fazit nach dem Sonntagnachmittäglichen Museumbesuch: Die Reise hat sich wirklich gelohnt, denn wo kann man die Originale der Bilder von Marylin Monroe, all der Königinnen, die Campbell Soup Dosen (auch als Bushäuschen vor dem Museum) und Wayne Gretzky u.v.a.m. in einem Raum bestaunen. Just Great!
Die andere, dunkle Seite dieser Gegend haben wir heute auf dem „transgraniczna Trasa Rowerowa“ erfahren (grenzüberschreitender Veloweg). Der Anstieg zu einem kleinen Pässchen führt durch ein friedliches Tal und auf den Wiesen jagen einige Füchse einander hinterher. Am Strassenrand künden sowjetische Panzer davor, dass es in dieser Gegend einmal ganz anders zu und her ging. Hier fand gegen Ende des zweiten Weltkriegs die Operation XXX statt, mit der die Slowakei vom Hitler-treuen Marionettenregime befreit wurde. Noch grausamer muss es hier im ersten Weltkrieg gewesen sein, als der Stellungskrieg in Galizien in dieser Gegen geführt wurde. Im westeuropäischen Geschichtsunterricht werden uns Verdun und eventuell noch Isonzo vermittelt. Dass es in Galizien genau so war, davon erfahren wir kaum etwas. Und wenn man an einem schönen Sommertag wie heute hier durchradelt – man würde mit keinem Gedanken darauf kommen, ständen da nicht allenthalben Erinnerungstafeln. Die wurden auch erst in den letzten Jahren angebracht und auf einer steht zu lesen, dass der brave Soldat Schweijk mit seiner legendären Kompanie auf dem Pässchen kämpfte, wo heute die Velofahrer in einem kleinen Schutzhüttchen grenzüberschreitend Rast halten.